Hightech und Blech

Zeichen der Solidarität: ein Trauermarsch

News of the World: Trauermarsch der Freiheit: Wer jetzt so alles Charlie sein möchte, sieht man in der Schluss-Szene im Film Life of Brian – als einem gewissen „Brian“ die Begnadigung in Aussicht gestellt wird. Der erste Rufer wird vom Kreuz geholt, der echte bleibt hängen. Und dann kommt das fliegende Suizid-Kommando der judäischen Volksfront!

Allen spontanen Bekundungen zum Trotz sind wir nicht „Charlie Hebdo“, denn deren Redaktion wurde mit Kriegsgerät der Marke Kalaschnikow zusammengeschossen. Wir nicht nicht. Wir lassen uns mit hohlen Peinlichkeiten der Politik beschäftigen. Oder was ist ein Zeichen der Solidarität anderes?

Politiker aus aller Welt wollen heute gemeinsam mit den Bürgern Frankreichs in Paris ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Terroranschläge und gegen religiös motivierte Gewalt setzen. Etwa 40 Staats- und Regierungschefs werden zu der Großkundgebung erwartet, zu der Staatspräsident François Hollande geladen hat. Insgesamt rechnen die Behörden mit mehr als einer Million Menschen.
[ tagesschau.de ]

Heute werden in Paris viele Regierungschefs versammelt sein, die im Krieg gegen den Terror ihre Behörden mit bereits mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet haben:

Eine reflexhafte Debatte um die Vorratsdatenspeicherung, wie sie in Deutschland gerade wieder von der CSU begonnen wird, wird es in Frankreich nicht geben. Ebenso wenig wird man über Antiterrordateien sprechen, oder über Internetsperren für Terrorpropaganda ohne richterlichen Beschluss, einfach auf behördliche Anordnung an Internetprovider oder Firmen. Nicht etwa, weil das möglicherweise fundamentalen Prinzipien des Abendlandes wie der Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung widerspräche, sondern weil Frankreich das alles längst hat.
[ faz.net ]

In einer gemeinsamen Erklärung mahnen Chaos Computer Club, Humanistische Union, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein und Digitale Gesellschaft e.V. zur Wahrung freiheitlicher Werte:

Auch in Anbetracht von Anschlägen dürfen die Grundfesten der Demokratie niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und der Folgen, die er mit sich bringt.
[ digitalegesellschaft.de ]

Die Islamisten spielen den Islam-Kritikern in die Hände. Die Feinde der offenen Gesellschaft fordern mehr Wachsamkeit. Die perfide Saat im Krieg gegen den Terror geht auf. Perfekt.
Aus Solidartät will der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger die Pressefreiheit verteidigen und illustriert sein Anliegen mit einer Gleichsetzung von Pegida und den Attentätern von Paris:

In herausragender Solidarität berichten freie Medien weltweit seit Tagen über dieses unmenschliche Verbrechen und die verquere Ideologie, die junge Muslime erst zu religiösen Fanatikern und dann zu Mördern macht. Der einhellige Appell: Presse- und Meinungsfreiheit sind unteilbar. Unsere Werkzeuge sind Worte und Bilder.
[ bdzv.de, Karikatur von Klaus Stuttman ]

Zeitungsverleger instrumentalisieren „Charlie Hebdo“-Anschlag für Kampf gegen Pegida, schreibt Stefan Niggemeier. Richard Gutjahr sieht dort eine Entfremdung der Medien-Elite von ihren Lesern und freut sich, dass im Internet veränderte Spielregeln im Kampf um die Deutungshoheit gelten. Lesermeinungen lassen sich nicht mehr steuern – jedenfalls nicht mehr so leicht, denn das ist – von mir weitergeführt – das, was andere den Nazi-Kampfbegriff Lügenpresse aussprechen lässt. Wer macht eigentlich die jungen Dresdner erst zu Patrioten und dann zu Nazi-Killern?
Perfide überdreht, denn die freie Presse stand nicht immer so geschlossen zu „Charlie Hebdo“ wie man jetzt bekundet:

Zuletzt machte „Charlie Hebdo“ im September mit Mohammed-Zeichnungen auf sich aufmerksam. Nun setzt das französische Satireblatt schon wieder auf Provokation – mit einem Comic-Sonderheft über das Leben des Propheten.
[ Januar 2013: sz.de, via ]

Provokation lautet das Stichwort, denn das Satireblatt Charlie Hebdo ist kein Vorbild für Meinungsfreiheit, analysiert Harald Neuber.

Diesem errichteten Popanz zum Trotz müssen für die notwendige Debatte zwei Dinge festgehalten werden. Erstens: Die Mehrheit der Journalisten und Redaktionsleiter, die heute ein Din-A-4-Papier mit dem Aufdruck „Je suis Charlie“ in die Kamera halten, hätten gestern noch eine Publikation von Karikaturen dieser Zeitschrift abgelehnt. Und dies, zweitens, zu Recht. Denn gerade die Islam-Karikaturen waren in mehr als einem Fall nichts weiter als rassistischer Schund.
[ Das wird man doch wohl noch zeichnen dürfen! ]

Nicht einmal an der Ericusspitze der Pressefreiheit zeigt man das ganze Bild. Religion ist kein Spaß.
Religion ist Krieg. Das ist einfacher als alles andere.

„Ach, diese blöden Römer können keinen Scherz verstehen…“