Eurovision Song Contest 2024, Malmö. Der Eurovision Song Contest (ESC) verbindet Menschen durch Musik. Durch gleichzeitiges Erleben unter dem Motto United By Music bildet sich eine Gemeinschaft, die sich dem Wettstreit stellt, welcher musikalischer Beitrag am besten bei Jury und Publikum der anderen teilnehmenden Länder ankommt. 37 europäische Länder nehmen teil. Wobei Israel – wie in auch in anderen sportlichen Wettbewerben – Europa zugeordnet wird, weil die unmittelbaren Nachbarn zu Israel keine freundschaftlichen Beziehungen unterhalten. Eine weitere Ausnahme bildet Australien, die sich im asiatischem Südpazifik ebenfalls als Europäer identifizieren – ohne nun auf damit zusammenhängende Probleme eingehen zu wollen, denn Probleme werden im ESC, der organisiert wird von der
European Broadcasting Union (EBU), auch schon mal unterdrückt.
Der ESC ist ein Content-Netzwerk über die teilnehmenden Künstler:innen und den Wettbewerb sowie zurückliegender Wettbewerbe – insbesondere fünfzig Jahre nach dem Sieg der schwedischen Band Abba mit dem Song „Waterloo“ werden Referenzen deutlich. Im ESC blendet die EBU viele politische Fragen aus, wird aber dadurch auch wieder politisch, weil etwa die Teilnehmerin aus Israel ihren Song Huricane umbenennen und umschreiben musste. Gleichzeitig thematisieren Zuschauer und das Publikum auf der Straße die Teilnahme Israels in einer unpassenden Analogie und mit einem konstruierten Widerspruch: Wegen des Krieges in der Ukraine sei Russland ausgeschlossen, aber Israel nicht wegen des Krieges im Gaza-Streifen. Nun. Kurze Antwort: Russland führt einen Vernichtungskrieg; Israel antwortet auf einen Vernichtungsfeldzug der Hamas am 7. Oktober.
Auch, wenn man das Politische ausblenden möchte, wird es politisch. Als Trotz-Reaktion auf den russischen Überfall gewann der Beitrag der Ukraine vor zwei Jahren den ESC 2022. In diesem Jahr lässt sich beobachten, dass nicht weniger als 22 mal zwölf Punkte für die Schweiz von den Musik-Jurys der anderen Länder vergeben wurden. So, als ob die Veranstalter die politische Neutralität der Schweiz mit 365 Jurypunkten suchten. Gleichwohl stehen die Stimmen aus dem Publikum dagegen:
- Kroatien (337 Punkte) – Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“
- Israel (323 Punkte) – Eden Golan mit „Hurricane“
- Ukraine (307 Punkte) – Alyona Alyona & Jerry Heil mit „Teresa & Maria“
- Frankreich (227 Punkte) – Slimane mit „Mon Amour“
- Schweiz (226 Punkte) – Nemo mit „The Code“
Das Publikum hebt politische Themen an die Spitze. Man kann einer Gemeinschaft zugestehen, ihr gemeinsames und fortwährendes Trauma des antisemitischen Überfalls vom 7. Oktober auch mit dem Mittel der Pop-Musik und in der Kunst der Unterhaltung ausdrücken zu wollen. Ebenso wie das Verlangen nach Zuversicht in der ukrainischen Jugend. Israel bekommt 15 mal die Höchstpunktzahl von 12 Punkten von den Menschen vor den TV-Geräten – so oft wie kein anderes Land. Proteste gegen Israel sind nicht mehrheitsfähig.
In der Gesamtwertung aller 25 Finalisten des 68. Eurovision Song Contests ergibt sich dann eine Mischung, mit der alle leben können. Die, die politisches ausblenden wollen, und die, den jedes Statement recht ist.
- Schweiz (591 Punkte) – Nemo mit „The Code“
- Kroatien (547 Punkte) – Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“
- Ukraine (453 Punkte) – Alyona Alyona & Jerry Heil mit „Teresa & Maria“
- Frankreich (445 Punkte) – Slimane mit „Mon Amour“
- Israel (375 Punkte) – Eden Golan mit „Hurricane“
- Irland (278 Punkte) – Bambie Thug mit „Doomsday Blue“
- Italien (268 Punkte) – Angelina Mango mit „La Noia“
Dafür werden mit Nemo und Bambie Thug zwei Personen sichtbar, die sich als non-binär identifizieren. Im Jahr 2024 muss es schon LGBT-queer sein. Einfach nur schwul zu sein – wie Olly Alexander mit „Dizzy“ aus Großbritannien – reicht nicht. Er bekam nicht einen einzigen Punkt vom Publikum.