Besuch einer Ausstellung: Von Elektrodesign, das Geschichte schreibt. In diesen Tagen habe ich es endlich geschafft, die Ausstellung Stylectrical zu besuchen. Sie läuft ja erst seit Ende August im Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) zwischen ZOB und Hühnerposten am Hamburger Hauptbahnhof. Am besten steigt man im rechten Treppenhaus vom ersten in den zweiten Stock auf, denn dann geht man zuerst durch den langen Flur mit photorealistischen Bildern aus der 12LVE-Serie von Michael Tompert und Paul Fairchild vorbei. Sie zerstören iPhone, MacBook-Computer und Maus – mal mit der Handsäge, dem Bunsenbrenner oder einfach einer 9mm-Heckler-und-Koch-Handfeuerwaffe. Die bunten iPods wurden übrigens von einer Diesel-Lokomotive zermahlen.
Das Apple-Design ist inspiriert von deutschen Klassikern. In den 80er-Jahren arbeitet Frogdesign und namentlich Helmut Esslinger für Apple. Von Esslinger stammt der weiße Apple-Computer. Das war noch vor dem Mac und später entwarf er für Steve Jobs den NeXT Cube. Diesen dann als schwarzen Würfel. Die zweite Linie im Apple-Design ist die von Dieter Rams von Braun. Zu der fand der jetzige Chef-Designer Jonathan Ive erst später. Anfang der 90er probierte Ive sich aus an organischen Formen für Newton MessagePad, gefolgt von 20th Anniversary Macintosh und den PowerBooks der Reihen Wallstreet und Lombard „Bronze Keyboard“. Erst der iMac (1998) wendet das Blatt. Der knubbelige All-In-One-Computer sollte zur Ikone werden. Ihm widmet die Ausstellung eine Insel, die auch Produkte von anderen zeigt, die transparenten Kunststoff einsetzen.
Nach der Jahrtausend-Wende wird es interessant:
Aluminium: Mit dem PowerBook G4 Titanium (2001) öffnet sich eine Linie, die bis zum aktuellen MacBook Air reicht und noch nicht beendet ist. Schwarz und Weiß sind ebenfalls dabei. Die wenigen Kabel, die es noch gibt, sind weiß. Das Apple-Logo auf dem aktuellen iMac oder Mac Mini ist schwarz wie die Apple-TV-2. iPhone, iPad und iPod touch gibt es in schwarz oder weiß und immer kombiniert mit dem Metall. Die bunte Farbwelt vom iMac lebt hingegen weiter im iPod.
Im Interview Dieter Rams. Der Apple fällt nicht weit vom Stamm (10. Mai 2008) räumt der ehemalige Braun-Designer ein, dass sich Jonathan Ive an ihn wandte. Er schickte ihm einen Brief. Ive ließ dem Deutschen iPhone und iPod zukommen. Die Design-Anleihen wertet Rams übrigens nicht als Kopie, sondern als Kompliment.
So sieht der iPod mini aus wie ein Radio von 1954, während die Rechner-App im iPhone eindeutig auf einen Taschenrechner zurückzuführen ist. Dies sind hinlänglich bekannte Fakten, dass der iMac in der Frontansicht aussieht wie ein 80er-Jahre-Braun-TV und in der Seitenansicht wie noch ältere Braun-Standlautsprecher. Frappierend sind die Ähnlichkeiten zwischen PowerMac G5 und dem Braun Weltempfänger T1000: Beide haben Alu-Lochblech und eine weit öffnende Klappe.
Was der Ausstellung fehlt, ist nicht der obligatorischen Schrein zu Ehren Steve Jobs, sondern die Unterstützung durch Apple. Das MK&G nähert sich durch Dritte dem Design des Apple Industrial Design Team unter der Leitung von Ive. Im Vorfeld verbat sich Apple Werbung mit dem Namen Jonathan Ive und dem Titel „Apple Design“, den der knapp 40 Euro teure und kilo-schwere Katalog zur Ausstellung ‘Styletrical. Von Elektrodesign, das Geschichte schreibt’ noch trägt. Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg ist noch bis zum 15. Januar 2012 geöffnet. Wer noch Zeit und Gelegenheit findet, sollte hin gehen, um die Exponate einmal live und wahrhaftig gesehen zu haben.
Einblick in den Gestaltungs-Prozess von Apple wird es nicht geben. Denn dann müsste das Unternehmen eingestehen, dass einige Produkte über sieben Jahre und länger entwickelt werden. Obwohl es interessant wäre, die Skizzen für die Glas-Treppen in den Apple-Stores oder die letzten Entwürfe von Jobs, der noch auf dem Sterbebett iPad-Ständer und iPad-Halterungen gezeichnet haben soll, einmal zu sehen. Trompert, der jetzt Apple-Produkte zerstört, war selbst mal im Design-Team bei Apple angestellt. Da muss wohl einer noch etwas verarbeiten…
- MKG Ausstellung Stylectrical
- Good design – Dieter Rams
- Hamburger Strandperlen – Stylectrical
- DW Kultur 21 – Gebrauchsgegenstand oder Lifestyleprodukt?
Nachtrag: Jonathan Ive darf sich jetzt Sir Jonathan Ive nennen. Wie bbc.co.uk berichtet, wurde der gebürtige Brite zum Knight Commander of the British Empire (KBE) ernannt.
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