Sonntagsfrage in der Europawahl. Insbesondere Deutschland stand im Fadenkreuz russischer Fake-News-Kampagnen, musste ein Sprecher Europäischen Kommission einräumen. Schätzungsweise eine Milliarde Euro lässt es sich der Kreml kosten, Debatten zu stören und die Gesellschaft zu spalten. So versucht Russland die in Deutschland bereits bestehenden Spaltungen zu verschärfen, etwa die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West, sowie die Putinversteher, eine Bezeichnung für Teile der politischen Klasse in Deutschland, die Sympathien für den russischen Präsidenten hegen, wahlweise direkt zu beeinflussen oder in Kampagnen einzuspannen, und zwar von der AfD über die Klimastiftung bis hin zum BSW, das die Linke spaltet.
Die Europawahl versteht sich eigentlich als multinationale Wahl, bei der 350 Millionen Europäer ein neues Parlament wählen, das zusammen mit der EU-Kommission und dem EU-Rat der (nationalen) Kanzler und Ministerpräsident:innen sowie der Fach-Minister, einen gemeinsamen Rechtsrahmen und Rechtsraum über nationale Grenzen hinweg gestaltet. Und trotzdem bringen viele Wähler:innen in dieser Wahl konkrete, nationale Unzufriedenheiten zum Ausdruck, indem amtierende Regierungen abgestraft werden.
Der Stellenwert der Europawahl ändert sich gerade. Die Wahlbeteiligung ist hoch. Sie liegt deutschlandweit bei rund 64,8 Prozent, vergleichbar mit Landtagswahlen. Auch wenn die Union als Wahlsieger aus der Europawahl kommt, profitiert sie nicht so stark wie erwartet von der schlechten Stimmung in Deutschland, denn ihrem Gegenkanzler Friedrich Merz (CDU) wird noch weniger zugetraut als einem Olaf Scholz (SPD). Zudem blockiert eine starke AfD die Union, die weder mit extremen Rechten, noch mit Linken, noch mit Grünen zusammen arbeiten möchte.
Erschreckend zeigen sich jedoch rechte Tendenzen in der AfD. 82 Prozent der AfD-Wähler:innen sagen, es sei ihnen egal, ob die Partei AfD in Teilen als rechtsextrem gelte, solange sie die richtigen Themen anspreche. Doch immerhin 86 Prozent der AfD-Wählenden machen sich Sorgen, bei Meinungen zu bestimmten Themen ausgegrenzt zu werden. Die Schnittmenge beider Gruppen kann so klein nicht sein…
Die Grünen sind die größten Verlierer des Abends: Nachdem sie 2019 gut abgeschnitten hatten und zu einer wichtigen progressiven Kraft im Parlament geworden waren, verloren sie bei den Neuwahlen ein Viertel ihrer Sitze. Dennoch könnten die Grünen trotz ihrer geringeren Sitzzahl zu einem Reservepool für die drei Parteien der Mitte werden.