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Praxistest iPhone 3G: Das fast perfekte Smartphone

Das neue iPhone 3G wartet vor allem mit zwei Neuerungen auf. Es unterstützt nun endlich auch die dritte Mobilfunkgeneration und wurde mit einem GPS-Empfänger ausgestattet. In der Theorie müsste das iPhone 3G in einem UMTS/HSPDA-Netzwerk bis zu sieben mal schneller im Web surfen oder Attachments herunterladen können als zuvor unter EDGE. Apple selbst hatte vorab die Devise ausgegeben, dass das neue iPhone doppelt so schnell ist und trifft mit dieser vorsichtigen Angabe auch unsere Erfahrungen aus der Praxis. Im Vergleich mit anderen HSDPA-Handys zeigt, dass das iPhone gefühlt schneller ist, denn es zeigt Teile der Webseiten schon an, bevor der Download abgeschlossen ist. Große Webseiten wie tagesschau.de erscheinen nach etwa 20 Sekunden komplett auf dem Display. Das ist auch subjektiv gefühlt deutlich schneller als mit dem ersten iPhone im EDGE-Netzwerk. Kunden in Deutschland profitieren dabei von dem schnellen UMTS-Netzwerk von T-Mobile.

Politikum GPS
Die zweite Hardware-Neuerung, der eingebaute GPS-Empfänger, wirkt sich im Alltag mit dem iPhone 3G weniger spektakulär aus. Bislang hatte das iPhone anhand der benachbarten GSM-Funkmasten und WiFi-Stationen in der Nähe seine Position „Pi mal Daumen“ ermittelt. Der GPS-Empfänger positioniert auf die Google Map nun einen blinkenden blauen Punkt, der erstaunlich exakt anzeigt, wo man sich gerade befindet. In unserem Test funktionierte der iPhone-Empfang auch auf der Rückbank eines Taxis, so dass man wunderbar checken konnte, ob der Fahrer nicht doch in einem großen Bogen zum gewünschten Ziel fährt. Echte Navigationsanweisungen („In 200 Metern links abbiegen“) gibt Google Maps aber nicht.
Das Urteil der „New York Times“, mit dem GPS lasse sich vorerst nicht viel anfangen, weil die GPS-Antenne zu klein sei, um geleitete Navigation („turn-by-turn navigation“) zu erlauben, können wir nach unserem Test nicht nachvollziehen. GPS-Signal erschien uns präzise genug, es fehlt aber bislang die notwendige Software. TomTom war in den vergangenen Wochen ohne Abstimmung mit Apple vorgeprescht und hatte eine iPhone-Version seiner Software angekündigt. Ob tatsächlich eine echte Navigationssoftware für das iPhone 3G kommen wird, hängt wohl mehr an geschäftspolitischen, denn technischen Fragen.

Bessere Lautsprecher
Deutlich verbessert hat Apple die Audio-Qualität des eingebauten Lautsprechers im iPhone. Telefonate über den Lautsprecher-Modus klingen deutlich lauter und klarer. Das gilt auch für Musik, die über den eingebauten Lautsprecher abgespielt wird. Den vollen Sound gibt es natürlich nur über die Kopfhörer. Und da die Kopfhörer-Buchse nun nicht mehr im Gehäuse (wie beim ersten iPhone) versenkt wurde, kann man nun auch seinen Lieblingskopfhörer benutzen, ohne ein überteuertes Adapterkabel kaufen zu müssen.

Das neue Gehäuse
Unterschiedliche Urteile gibt es dagegen zum neuen Formfaktor des iPhone 3G. Wie bereits bekannt, hat Apple die Elektronik des Smartphones nun nicht mehr in ein flaches Metallgehäuse gesteckt, sondern in ein leicht gewölbtes Case mit hochglänzendem Plastik. Ich selbst empfand die Haptik ganz angenehm. Einige Bekannte, die das Gerät kurz in die Hand bekamen, werteten dagegen das neue Gehäuse als Rückschritt. Apple begründet den Umstieg mit der Anzahl der Funkkomponenten im iPhone 3G, die nicht mehr alle hinter einem Metallgehäuse abgeschirmt liegen dürften. Das neue Gehäuse passt leider nicht mehr in die alten Docking-Sets. Ohnehin liegt dem iPhone 3G nur noch ein USB-Verbindungskabel bei, so dass man sich die Docking-Ladestation als Zubehör kaufen muss.

Seriöses Smartphone
Große Fortschritte hat das iPhone beim Thema Business-Tauglichkeit gemacht. Die neue Software iPhone 2.0, die auch für die erste Generation der iPhones kostenfrei zur Verfügung steht, unterstützt nun die Exchange-Infrastruktur von Microsoft – besser noch als Smartphones mit einem Windows-Mobile-System oder von Nokia. Noch nie habe ich ein Smartphone so schnell und unkompliziert an einen Exchange-Server andocken können wie mit dem iPhone 3G. Die Kalender-Ansicht ist übersichtlicher als bei den Wettbewerbern. Ob sich auf der Bildschirm-Tastatur des iPhone oder einer Hardware-Tastatur eines Blackberry besser schreiben lässt, ist Geschmackssache.

Kritik am Akku
Die meiste Kritik am neuen iPhone 3G dürfte sich meiner Ansicht nach aber an der Batterielaufzeit entzünden. In der Praxis mit ständig eingeschaltetem UMTS-Netz hält ein frisch geladener Akku gerade mal einen Tag lang. Und wenn man sehr intensiv mit dem Gerät arbeitet, erscheint auch schon am Nachmittag die Warnung, dass der Akku nur noch über 20 Prozent Energie verfügt. Insbesondere in Umgebungen mit eingeschränktem Netzempfang zieht das iPhone viel Strom. Wer also weiß, dass er auf der ICE-Strecke zwischen Hamburg und Frankfurt ohnehin kaum Empfang haben wird, sollte zumindest die 3G-Datenoption ausschalten. Bei einem Kino-Besuch lohnt sogar die Aktivierung des Flugzeug-Modus, bei dem das iPhone alle Mobilfunkverbindungen kappt. Apple sollte bei künftigen Software-Updates die Firmware des iPhone 3G auf Energieeffizienz trimmen und dem User einen einfachen Zugang zur Aktivierung eines Energie-Sparmodus ermöglichen.

Die T-Tarife
Damit kommen wir zu einem weiteren kritischen Punkt, den Tarifen von T-Mobile, die zum Teil deutlich über den Preisen in anderen Ländern liegen, in denen mehrere Provider das iphone anbieten. Zwar wird das iPhone 3G in Deutschland bereits ab einem Euro angeboten, allerdings nur in Verbindung mit der teuersten Tarifvariante „Complete XL“ für 89 Euro im Monat. Auf die Mindestlaufzeit von 24 Monaten gerechnet zahlt der T-Mobile-Kunde in diesem Fall insgesamt 2137 Euro. Dafür erhält er neben dem iPhone 3G selbst monatlich 1000 Freiminuten, 300 SMS sowie eine Datenflatrate für die mobile Internetnutzung (EDGE/UMTS) plus eine Flatrate für die WLAN-Hotspots von T-Mobile. Beim Einsteigertarif („Complete S“) von 29 Euro monatlich werden 169 Euro für das neue iPhone verlangt. Dafür erhält der Kunde neben der Hardware noch 50 Freiminuten sowie 500 Megabyte Datenvolumen pro Monat. Das macht auf zwei Jahre Mindestvertragszeit hochgerechnet insgesamt 865,95 Euro (696 Euro für den laufenden Vertrag plus 169,95 Euro für die Hardware). Die erste iPhone-Generation kostete bei T-Mobile bislang je nach Tarif zwischen 99 und 249 Euro, mit größerem Speicher (16 Gigabyte) sogar unabhängig vom Tarif 499 Euro plus Monatstarif.
Die sinnvollste Tarifoption dürfte „Complete M“ sein. Hier kostet das iPhone 3G dann 60 bzw. 150 Euro (8 bzw. 16 Gigabyte). Im Monat werden 49 Euro fällig. Dafür bekommt man die Datenflatrate für UMTS und die vielen WLAN-Hotspots von T-Mobile sowie monatlich 100 Freiminuten und 40 Inklusiv-SMS. Auf zwei Jahre Vertragslaufzeit gerechnet liegt der Preis immerhin 140 Euro unter dem Angebot für die erste iPhone-Generation.

Jailbreak und eBay?
Im Gegensatz zu früher wird es beim iPhone 3G nicht möglich sein, mit dem starken Euro-Kurs für wenig Geld ein Gerät in den USA zu kaufen und dann mit Hilfe einer Jailbreak-Software in Deutschland einzusetzen. Apple und AT&T rücken das neue iPhone nur noch mit einem aktivierten Vertrag raus, so dass der massenhafte Nachschub über den Atlantik für den deutschen Graumarkt auf eBay weitgehend versiegen wird. Die eBay-Händler werden sich künftig wohl in den Ländern eindecken, in denen Apple und seine Partner das iPhone auch ohne Vertragsbindung anbieten müssen. In Belgien wird das iPhone 3G von Mobistar auch ohne Vertrag für 525 Euro bzw. 615 Euro für das 16GB-Modell angeboten – und das ohne SIM-Lock oder Netlock. Unklar ist, über welche Stückzahlen Mobistar verfügen wird und ob auch Nicht-Belgier ohne Probleme dort ein iPhone 3G kaufen können. In der Schweiz ist das iPhone 3G bei der Swisscom schon ab 325 Euro zu haben. Diese Geräte sind aber mit einem SIM-Lock gesperrt und müssten vom Käufer mit einer Jailbreak-Software modifiziert werden, damit sie mit SIM-Karten aus anderen Netzen laufen.

Fazit und Wunschzettel
Bedenkt man, dass die Flatrates von T-Mobile nicht nur auf dem iPhone, sondern auch auf anderen Geräten genutzt werden können, sind die meisten Anwender dann doch gut beraten, sich für die offizielle Variante entscheiden. Für einmalig 30 Euro gibt es bei T-Mobile eine Multi-SIM, die beispielsweise in einem UMTS-Stick eingesetzt werden kann. In anderen Ländern verlangen die Provider dafür bis zu zehn Euro monatlich Aufschlag. Nach einem zweiwöchigen Test bleiben noch einige Punkte auf dem Wunschzettel für Apple: Eine „Copy&Paste“-Funktion zur Übernahme von Infos aus der E-Mail in andere Anwendungen wäre nicht schlecht. Auch eine bessere Kamera mit Video-Funktion würde dem iPhone gut tun. Nokia beweist, dass dies keine Hexerei ist. Und wenn Apple den Energiehunger des iPhone 3G weiter zügeln kann, werde ich auch nicht mehr jammern, dass man die Batterie nicht einfach austauschen kann.
Das iPhone 3G ist aber trotz dieser Mängel mit Abstand das beste Smartphone, dass ich bislang in Händen hatte. Geräte wie das HTC Touch Diamond können da einfach nicht mithalten. Text: Christoph Dernbach

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