Rechtsterrorismus. Die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund konnte seit 1998 mordend und raubend durch Deutschland ziehen. Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehören dieser Gruppe an. Von den mindestens 20 Unterstützern sollen schon einige verhaftet worden sein. Der Skandal besteht darin, dass die abgetauchten Terroristen erst Anfang November im Zusammenhang mit einem Banküberfall in Eisenach ins Visier der Fahndung gerieten. Erst die Spurensicherung in der von Beate Zschäpe in Zwickau angezündeten Wohnung findet Tatwaffen und Bekennerschreiben. So kann diese Gruppe mit den sogenannten Döner-Morden (ARD radio feature: Auf der Suche nach dem „Dönerkiller“, pdf) in Verbindung gebracht werden. Die größte Mord-Serie in der EU ist plötzlich die Tat von rechten Terroristen, die im Januar 1998 nach einer Razzia haben abtauchen können. Trotz oder wegen der Verbindung zur Rechten Szene und trotz oder wegen des Fundes von Sprengstoff wurden die drei nicht intensiv verfolgt.
Fragen über Fragen. Von staatlichen Stellen wie Bundesstaatsanwaltschaft und Verfassungsschutz wird rechte Gewalt beständig heruntergespielt, indem Zusammenhänge nicht hergestellt werden und Verbindungen nicht gezogen werden. Da muss man fragen, ob dahinter Methode steckt: Bullen-Staat schützt Nazi-Schweine.
Es wird zu klären sein, was der thüringische Landesverfassungsschutz wusste: Es handelt sich um die Behörde, deren umstrittener Präsident Helmut Roewer (1994 bis 2000) den Top-Neonazi Tino Brandt als V-Mann führte. In Roewers Amtszeit wurden bei den jetzt toten Terroristen und weiteren Mitgliedern des „Thüringer Heimatschutzes“ Bomben und 1,4 Kilogramm TNT entdeckt. Befremdet liest man, dass die Bombenbauer untertauchen konnten und seit einem guten Jahrzehnt untergetaucht blieben – und offenbar keine größere Fahndung nach ihnen lief.
[ Kommentar von Heribert Prantl: Nehmt die braune Gefahr endlich ernst! sz.de ]
Herr Innenminister Friedrich, seit Jahrzehnten heißt die größte Bedrohung für die Menschen in Deutschland nicht Mohammed, sondern Müller. Nur, dieses Problem nehmen Sie bisher nicht ernst.
Im Gegenteil, erst im September, dem Monat Ihres Interviews zu den 1000 islamistischen Attentätern, haben Sie die staatlichen Gelder zur Bekämpfung von Rechtsradikalismus um weitere 2 Millionen Euro gekürzt.
[ Mathias Richel: Auf dem braunen Auge blind. ]
Es kann nicht sein, dass ein Verbot der NPD auf Jahre hinaus an den V-Leuten des Verfassungsschutzes scheitert. Das ist doch der eigentliche Skandal: Der Verfassungsschutz selbst ist inzwischen zum Bestandsschutz, ja zur Bestandsgarantie der verfassungsfeindlichen NPD geworden!
[ Kommentar von Wolfgang Thierse: Die Wirklichkeit ist bitter taz.de ]
Während Thierse für ein neues NPD-Verbotsverfahren eintritt, fordert die faz sogleich die Abschaffung der Geheimdienste.
Überrascht zeigte sich Bundesanwalt Rainer Griesbaum in der ARD, weil die Ermittlungen seiner Behörde keine rechtsterroristischen Strukturen hätten erkennen lassen. So sagte es auch Bundesinnenminister Friedrich nach den Anschlägen von Norwegen, im Sommer: Wir hätten hierzulande keine Strukturen von Naziterroristen. Als gebe es eine Meldepflicht für Terrorgruppen, als wäre nicht der Mord der Terror, sondern erst das Begleitschreiben dazu.
[ Nils Minkmar: Hauptsache, es macht peng! ]
Die üblichen Verdächtigen. Auch wenn der Bundestag sich beschämt zeigt über die Mordserie in der Debatte über Rechtsextremismus, die Glaubwürdigkeit der staatlichen Stellen, der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sowie der Politiker, die Angst vorm Muselmann schürten, um von der sichtbaren braunen Sose in der Nordkurve beim HSV und anderswo abzulenken, die ist dahin. Die Glaubwürdigkeit ist verloren: Sie reden von Pannen der Sicherheitskräfte, von dem Fehler, V-Leute in rechten Kreisen zu platzieren, vom NPD-Verbot. Das sind Ablenkungsmanöver.
Schröder ist als Ministerin für die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verantwortlich. Erst seit knapp zwei Jahren ist sie im Amt – und hat dabei in der Fachwelt bereits für viel Aufsehen gesorgt: Erfolgreiche Projekte für Demokratie wurden behindert, ideologische Debatten über Demokratieklauseln initiiert und Geld für sinnlose Projekte verbrannt. Höhepunkt dieses grotesken Schauspiels: Der Jungen Union Köln wurden Bundesmittel bewilligt, um eine Fahrt gegen Linksextremismus nach Berlin zu veranstalten, mit einem „gemeinsamen Ausflug ins Nachtleben“. Eine Sauftour für den Parteinachwuchs mit freundlichen Grüßen aus dem Familienministerium. Das Geld gegen Rechts wurde hingegen gekürzt.
[ Patrick Gensing, Kommentar für tagesschau.de: Ministerin Schröder und die Gefahr von Rechts. Der Verantwortung nicht gewachsen ]
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