Eine Woche nach der Wahl zum Deutschen Bundestag bestimmt der Tonfall aus dem Wahlkampf immer noch die Diskussion über die Regierungsbildung in Deutschland. Der kleinere Partner in der Union drängt auf das Tempo und treibt – je nach Perspektive – Eckpfeiler oder Keile: Horst Seehofer lehnt Steuererhöhungen ab. Sein Nein zu Schwarz-Grün steht ebenso im Raum wie die latent fremdenfeindliche Position zur PKW-Maut für Ausländer(, die nicht aus der EU kommen dürfen). Mit einer frischen absoluten Mehrheit aus Bayern schwächt der starke Seehofer die Union. Die hat zwar die Wahl gewonnen, aber ihr Wahlziel – die Fortsetzung der Schwarz-gelben Koalition – nicht erreicht. Gewonnen hat Angela Merkel. Als Person ohne Programm.
Als stärkste Fraktion steht es ihr zu, eine neue Regierung zu stellen und Mehrheiten zu finden für ihr Programm. Eine große Koalition wollte vor der Wahl niemand. Nicht Angela Merkel und nicht die SPD. Niemand hat ein gutes Gefühl:
Eine Große Koalition kann ich mit meinem Demokratieverständnis nicht wirklich verbinden. Dazu gehört immer eine starke und agile Opposition, die die Arbeit einer Regierung hinterfragt und kontrolliert, um Machtmissbrauch, Willkür und Mauscheleien zu verhindern. Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser ganzen Aktion.
[ Cem Basman ]
Die letzte Große Koalition (2005) brachte zum 1. Januar 2006 eine Mehrwertsteuer-Erhöhung. Vor der Wahl schloss die SPD Steuererhöhungen aus. Die Union schlug eine Erhöhung von 2 Prozentpunkten vor. Der Kompromiss sah dann so aus, dass die Mehrwertsteuer um drei Prozent von 16 Prozent auf 19 Prozent erhöht wurde.
Übertragen auf 2013 kann eine große Koalition eigene Dynamik entwickeln. So wird die Mehrwertsteuer auf dänisches Niveau gehoben, ohne – wie in Dänemark – die Krankenversicherung für alle aus diesem Etat zu finanzieren. Niemand möchte diese Diskussionen führen. Die Deutschen nicht, denn sie wählten ein Sie kennen mich. Das Wahlergebnis vom 22. September gibt Angela Merkel den Auftrag, das Land zu führen.
Was alles gegen Rot-Rot-Grün spricht, ist bekannt. Doch was spricht eigentlich dagegen, eine Minderheits-Regierung zu versuchen. Die Union braucht Neuwahlen laut Umfrage nicht zu fürchten: Union würde bei Neuwahlen erneut zulegen. Die FDP wäre noch weiter unten, aber AfD wahrscheinlich über 5 Prozent.
Alternativlos würde eine Minderheits-Regierung zu einer neuen politischen Kultur führen, weil statt Debatten-Simulation wieder echte Mehrheiten gefunden werden müssen. Über Fraktionen und Zwänge hinweg. Aussprachen sprechen wieder an, weil in der Sache gestritten wird. Das wird wieder spannend. Darauf würde ich mich freuen.
tldr;
Für große Koalitionen gibt es kein Mandat: SPD und Grüne wollten gemeinsam Schwarz-Gelb ablösen, die gemeinsam weitermachen wollten. Beides geht nicht. Angela muss alleine ran, alternativlos.