Sonntagsfrage, remastered. Leben im Krieg ist anstrengend. Leben im Kriegsgebiet ist gefährlich. Leben im Kriegszustand ist beständiger Stress für alle Sinne.
Heard of a van that is loaded with weapons
Packed up and ready to go
Heard of some gravesites out by the highway
A place where nobody knows
The sound of gunfire off in the distance
I’m getting used to it now
Lived in a brownstone, lived in the ghetto
I’ve lived all over this town
Der Krieg, in den die Hamas nun Israel hineingezogen hat, wirft viele Fragen auf. Alles wird man nicht verstehen. Dennoch gibt es drei Hintergrund-Artikel, die recht hilfreich sind, den Nah-Ost-Konflikt einzuordnen, ohne gleich in biblische Rachegelüste oder Floskeln vom Flächenbrand und Eskalation der Gewaltspirale zu verfallen. Den ersten bei der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN) aus Berlin. Der DGVN-Verein wird unterstützt vom Auswärtigen Amt und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
· Rückfall in existentiellen Konflikt in Nahost. Mit der Abkehr der israelischen Regierung von einer Zweistaatenregelung steht der israelisch-palästinensische Konflikt vor einer Zäsur.
Das Ziel eines friedlichen Nebeneinanders sollte in den Oslo-Abkommen den israelisch-palästinensischen Konflikt durch Verhandlungen über eine Teilung des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina und eine einvernehmliche Regelung der Flüchtlingsfrage befrieden. Dieser dreizig Jahre alte Ansatz ist gescheitert.
Israel hat die übergeordnete Kontrolle über Territorium, Land- und Seegrenzen – mit Ausnahme der Grenze zwischen Gazastreifen und Ägypten. Mit der israelischen Regierungskoalition, die seit Ende Dezember 2022 im Amt ist, zeichnet sich eine Zäsur ab. Sie hat sich endgültig von einer Zweistaatenregelung abgewandt und zielt auf eine dauerhafte Kontrolle des Westjordanlandes ab. Zwar lindern Gremien der Vereinten Nationen – allen voran das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) – die humanitären Kosten des Konfliktes, aber in den besetzten Gebieten und bei der friedlichen Konfliktbearbeitung spielen die UN eine untergeordnete Rolle.
So meine Zusammenfassung des Berichtes von Dr. Muriel Asseburg, Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bei der DGVN, die auch die Rolle des UNRWA beleuchten.
· Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten [PDF; November 2007]: 1949 wurde nach dem Sieg Israels im ersten arabisch-israelischem Krieg die Agentur UNRWA gegründet. Sie ist das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen für die humanitäre Versorgung der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und deren Nachfahren. Seitdem hat sich das Hilfswerk zum größten Anbieter sozialer Leistungen für die Palästinenser entwickelt. Die Arbeit von UNRWA findet in einem hoch politisierten Umfeld statt, was immer wieder zu scharfer Kritik an seinen Aktivitäten bis hin zu einer grundsätzlicher Infragestellung seines Engagements führt.
Weiterführend gibt es noch einen neueren Grundlagen-Artikel bei der Bundeszentrale für politische Bildung:
· UNRWA – das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten [Oktober 2021]: UNRWA erscheint häufig als Stimme palästinensischer Geflüchteter in den Medien und gerät so zwischen die politischen Fronten der Konfliktparteien im Nahen Osten. […] Versuche der UN, eine schnelle Vermittlung zwischen den Konfliktparteien zu erreichen, scheiterten bis heute. Damit bleibt auch die Frage nach potentiellen Rückkehr- und Entschädigungsansprüchen für die Palästina-Flüchtlinge ungelöst und das Mandat des ursprünglich vorübergehend eingerichteten Hilfswerks UNRWA weiter bestehen. Heute ist UNRWA mit rund 30.000 Mitarbeiter:innen eine der größten Organisationen der Vereinten Nationen. […] Heute sind bei UNRWA rund 5,7 Millionen Menschen als Flüchtlinge registriert. Diese große Zahl ist einer vagen Definition des Begriffs Palästina-Flüchtling geschuldet: Während 1949 noch jede Person Hilfe erhielt, die angab, hilfsbedürftig und aus Palästina geflohen zu sein, führte UNRWA wenige Jahre später eine spezifischere Definition ein, um Missbräuchen vorzubeugen. Zudem konnte bis 1952 die Mehrheit der jüdischen Geflüchteten im Nahen Osten nach Israel umgesiedelt oder in die Obhut des UNHCR überführt werden. Seitdem gelten per Definition der UNRWA alle Personen als Palästina-Flüchtlinge, die ihren ständigen Wohnsitz zwischen dem 1. Juni 1946 und 15. Mai 1948 im historischen Palästina hatten und die durch den Nahostkonflikt sowohl ihr Zuhause als auch ihren Lebensunterhalt verloren. Der Flüchtlingsstatus wird über die väterliche Linie an die Nachkommen weitervererbt, solange, bis eine „dauerhafte und gerechte“ Lösung der Flüchtlingsfrage gefunden ist – wodurch es letztlich zu der heute so großen Zahl an Palästina-Flüchtlingen kommt. Daher ist UNRWA regelmäßig mit der Kritik konfrontiert, die Zahl der Palästina-Flüchtlinge künstlich zu erhöhen. […] UNRWA wird zudem regelmäßig kritisiert, kein neutraler humanitärer Akteur zu sein, sondern mit den politischen Zielen der palästinensischen Konfliktgruppen zu sympathisieren bzw. sich für ihre Zwecke instrumentalisieren zu lassen. Spannungen zwischen politischen palästinensischen Gruppen und anderen politischen Akteuren in den jeweiligen Aufnahmeländern führten bereits in der Vergangenheit wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in denen UNRWA eine Rolle spielte.
Die UNRWA zementiert in gewisser Weise den Status-Quo, weil Palästina-Flüchtlinge durch Einbürgerung im Gastland ihren Flüchtlings-Status verlieren. Andererseits fürchten die Gastländer eine indirekte internationale Kontrolle durch die Anwesenheit dieser UN-Agentur. Die Organisation kommt für einen wesentlichen Teil der humanitären und entwicklungspolitischen Kosten zur Versorgung der Geflüchteten auf und trägt mit ihrer Arbeit zur Stabilisierung der Region bei.
UNRWA ist seit ihrer Gründung eine kontrovers betrachtete UN-Organisation und wird dies auch weiterhin bleiben: Sie steht im Spannungsfeld zweier Resolutionen, die sich gegenseitig hinsichtlich ihrer Ziele behindern. […] Bis heute gibt es keine ernsthaften Bemühungen der Konfliktparteien, eine gemeinsame nachhaltige Lösung zu entwickeln und Perspektiven für die betroffenen Menschen zu schaffen. Vielmehr erlaubt ihnen die Existenz der UNRWA, die ungelöste Geflüchtetenfrage für ihre eigenen Interessen in anderen Verhandlungsprozessen zu instrumentalisieren, während sie zugleich die Arbeit der Organisation von massiven finanziellen und Fürsorgepflichten befreit.