Das iPhone lässt niemanden kalt. In den drei Wochen, die ich das Apple-Handy vor dem offiziellen Start von T-Mobile in Deutschland testen konnte, habe ich die merkwürdigsten Szenen erlebt: Kollegen knien auf dem Boden, nachdem ich das iPhone aus der Tasche geholt habe. „Genial“, „Cool“, „Das will ich haben“, „NEIIIID“ sagen diejenigen, die es kurz ausprobieren durften. Noch nie hat ein Gadget in meiner Umgebung solche überschwänglichen Reaktionen ausgelöst. Die Bekanntgabe der iPhone-Tarife von T-Mobile hat jedoch bei manchen die Begeisterung deutlich gedämpft.
Ohne Vertrag kein iPhone
Die Deutsche Telekom hat für den Vertrieb der iPhones eigens ihre ehemalige T-Punkt-Läden renoviert und in Telekom-Shops umbenannt. Für stolze 399 Euro und Tarife ab 49 Euro im Monat kann nun jedermann ein iPhone erwerben. Im Gegensatz zu den USA bekommt man das iPhone in Deutschland nicht ohne Vertrag. Wer in einem T-Mobile-Laden ein Apple-Handy erwirbt, kann dies nur zusammen mit einer aktivierten SIM-Karte tun. Dazu wird ein bestehender T-Mobile-Vertrag umgewandelt oder ein neuer abschlossen. Damit entfällt in Deutschland auch der Vertragsabschluss für das iPhone via iTunes, der zum Verkaufsstart des Apple-Handys in den USA die Server von AT&T lahm gelegt hat. Die iTunes-Software wird aber auch hierzulande benötigt, um das iPhone erstmals zu aktivieren und mit den Inhalten des PCs oder Macs zu synchronisieren.
Von den 1,4 Millionen iPhones, die Apple und AT&T in den Vereinigten Staaten abgesetzt haben, wurde rund 250.000 Stück nie bei AT&T aktiviert und landete auf dem Graumarkt, der auch in Deutschland die Seiten von eBay bestückt. Apple kostet der hohe Anteil der gehackten und nicht bei AT&T angemeldeten iPhones richtig Geld, denn schließlich wird das Unternehmen von Steve Jobs am iPhone-Umsatz bei AT&T beteiligt. Insider sprechen von 18 Dollar pro Monat und Vertrag. Das summiert sich in den zwei Jahren Mindestvertragslaufzeit auf 432 Dollar für jedes AT&T-iPhone, mehr als die Hardware selbst kostet.
Rückten die ersten Hacker dem iPhone noch mit Schraubendreher und Lötkolben zu Leibe, funktioniert inzwischen die Entsperrung gänzlich per Software. Das Hacken des iPhones ist sogar nur mit dem Besuch einer Website (jailbreakme.com) möglich. Dort steht das Hackertool AppSnap zum Download bereit, mit dem man die Kontrolle über das Dateisystem des iPhones (und auch des iPod touch) erlangt. In dem automatisch ablaufenden Prozess wird außerdem die Anwendung Installer.app auf das Gerät geschoben, die wiederum ermöglicht, weitere Programme nach Lust und Laune zu installieren. Mit der Anwendung AnySIM schließlich kann das iPhone auch dazu überredet werden, mit einem anderen Provider zu arbeiten.
Fummeliger Ausbruch
Bei einem Test der MACup (in diesem Fall nicht mit unserem Original-T-Mobile-iPhone, sondern einem Grauimport aus den USA sowie einem iPod touch) hakte allerdings jailbreakme.com erheblich, so dass dieser Weg (zumindest technisch unbedarften Usern) nicht zu empfehlen ist. Generell muss gesagt werden, dass Software-Aktualisierungen von Apple die Hacks – zumindest eine gewisse Zeit lang – wieder lahm legen und die iPhones in nutzlose Klötze verwandeln. Erst wenn die Hacker in dem Katz-und-Maus-Spiel dann wieder nachgelegt haben, kann ein blockiertes iPhone reaktiviert werden.
Bei dem Online-Auktionshaus wie eBay kosten derzeit gehackte iPhones, die mit der SIM-Karte eines beliebigen Providers bestückt werden können, zwischen 550 und 650 Euro, wenn sie aus Deutschland oder der EU versendet werden. Geräte direkt aus den USA sind preiswerter zu haben. Dabei laufen die Käufer allerdings das Risiko, bei der Abholung des Päckchens noch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer zahlen zu müssen. Einige Zoll-Ämter sollen auch schon iPhones aus den Staaten abgewiesen haben, weil die Geräte nicht mit dem in Europa notwendigen CE-Symbol versehen sind.
Einfacher wird es vermutlich sein, künftig ganz legale iPhones aus Frankreich zu importieren, die nicht an eine SIM-Karte eines Apple-Partners gebunden sind. Der französische Gesetzgeber schreibt vor, dass selbst Luxus-Handys auch ohne SIM-Sperre angeboten werden müssen. Die sind natürlich teurer als nicht subventionierte Geräte. Der Preis für diese „freien“ iPhones steht noch nicht fest. Experten vermuten aber, dass Apple und Orange mindestens 800 Euro verlangen werden.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Apple inzwischen in den USA den Absatz der iPhones für 399 US-Dollar auf zwei Stück pro Person begrenzt hat und seine Kunden zwingt, die Ware mit einer Kreditkarte zu bezahlen. Damit fällt es den Zwischenhändlern der gehackten iPhones schwerer, Nachschub im großen Maßstab zu organisieren. Dauerhaft versiegen wird die Quellen von „befreiten“ iPhones allerdings nie. Dafür werden schon Hobby-Händler auf eBay sorgen, die auf die leichte Tour einige Hundert Dollar machen wollen.
Graue iPhones für die Blender
Interessant sind „gehackte“ iPhones vor allem für diejenigen, denen es allein um den Besitz eines Status-Symboles geht. Auch wer das iPhone vor allem als iPod nutzen und mit dem Handy vor allem telefonieren möchte, wird vielleicht mit einem Grauimport gut bedient, wenn er beispielsweise bereits über einen günstigen Handy-Vertrag verfügt. IPhone-Liebhaber in Ländern wie Österreich oder der Schweiz kommen auf absehbare Zeit ohnehin nur auf dem Graumarkt an das Objekt der Begierde.
Berücksichtigen muss man aber auch, dass Apple und T-Mobile keine gehackten iPhones unterstützen werden. Werden Garantieansprüche fällig, wird es schwierig sein, diese hierzulande einzulösen.
Wer in Deutschland lebt und unterwegs mit dem genialen Safari-Browser im Web surfen oder die attraktiven Google-Maps aufrufen möchte, findet jedoch mit dem T-Mobile-Angebot eine halbswegs attraktive Offerte vor (siehe iPhone-Tarife). Datenflatrates bei Vodafone (über den Serviceprovider Moobicent), E-Plus und O2 kosten derzeit auch 40 Euro und mehr. Im Gegensatz zum iPhone-Tarif von T-Mobile umfassen diese Angebote zwar auch dem Highspeed-Funk UMTS (3G). Dafür bietet T-Mobile im Gegensatz zu E-Plus und O2 auch in der Fläche eine gute Netzversorgung und hat inzwischen fast jede Sendestation auf den EDGE-Standard (2.75 G) aufgerüstet, mit dem das iPhone arbeitet.
Schnell um die Ecke
Im MACup-Test fand das iPhone sowohl in der Großstadt (Hamburg und München) als auch der Provinz (Oberfranken und auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin) jederzeit das EDGE-Netz. Im Gegensatz zur Befürchtung, dass der Verzicht auf UMTS einen großen Nachteil darstelle, bauten sich Webseiten und Google-Karten flott auf. Nur die Videos von YouTube ließen auf sich warten. Den Verzicht auf Mobilfunktechnik der 3. Generation (UMTS) begründete Apple-Chef Steve Jobs bei der Vorstellung des „deutschen“ iPhones in Berlin mit dem höheren Strombedarf der UMTS-Chips. Davon können die Besitzer des Nokia-Handys N95 ein Lied singen. Dort sorgen UMTS und ein GPS-Chip dafür, dass das N95 bei voller Nutzung schon nach drei, vier Stunden kein «Saft» mehr hat.
Neben dem EDGE-Netz stellt T-Mobile den iPhone-Kunden seine 8.000 WLAN-Hotspots auf Flughäfen, Bahnhöfen, Cafés, Hotels und anderen öffentlichen Plätzen ohne Zusatzkosten zur Verfügung. Diese Option können die anderen Provider in Deutschland mangels Masse nicht anbieten. Das iPhone meldet sich sogar bei den WLAN-Zugangspunkten von T-Mobile automatisch an. Die fummelige Eingabe eines per SMS angeforderten Logins entfällt damit. Kurz vor dem offiziellen Verkausstart funktionierte das Auto-Login zwar noch nicht an allen Hotspots, die wir getestet haben, etwa im Münchner Flughafen. „Wir arbeiten aber mit Hochdruck daran, dass dies möglichst bald zur Verfügung steht“, verspricht T-Mobile-Sprecher Alexander von Schmettow.
Exklusiv auf den iPhones aus dem Telekom-Shop funktioniert die „Visual Voicemail“ von T-Mobile, ein grafisch dargestellter Anrufbeantworter, mit denen man sich die Nachrichten auf der Mailbox des anzeigen und in beliebiger Reihenfolge abspielen lassen kann. Befindet sich die Rufnummer des Anrufers im Adressbuch des iPhones, zeigt „Visual Voicemail“ die Nachrichten mit dem Namen an. Die Telekom unterstützt dabei einen Mehrkarten-Modus, so dass man etwa unter der gleichen Nummer unterwegs auf einem klassischen Autotelefon erreichbar ist. Nutzt man nicht das iPhone, sondern ein anderes Handy, kann die Mailbox wie bislang unter der Nummer 3311 abgerufen werden.
Da fehlt noch was
Das Adressbuch des iPhones taucht als eigenständige Applikation nicht auf, sondern wird nur im Telefonmodus und bei Google Maps an passender Stelle eingeblendet. Da kann Apple noch nachlegen, denn es wäre etwa ganz schön, wenn man das Adressbuch vernünftig durchsuchen („Schuhladen in Hamburg“) und nicht nur in den alphabetisch sortierten Kontakten blättern könnte.
Grandios ist der Bildschirm des iPhones, der Fotos und Videos kräftig und hell genug darstellt. Mit den Fingern in Alben oder Fotos blättern klappt völlig intuitiv. Die schmächtige Anleitung in dem iPhone-Karton wird ohnehin zu keinem Zeitpunkt benötigt. Einen großen Aha-Effekt erzielten wir im Test, wenn wir Freunden und Kollegen demonstrierten, wie der Bewegungssensor im iPhone funktioniert. Kippt man das Handy quer, drehen sich Fotos und Websites ebenfalls ins Querformat. Genial ist auch die Zoomfunktion, die man mit dem Auseinanderspreitzen von zwei Fingern auf dem Bildschirm erzielt. Das bietet kein anderes Multimedia-Phone.
Dafür könnte der interne Speicher größer sein. Acht Gigabyte sind ruckzuck belegt. Und dass 16 GB mit Flashspeicher machbar und bezahlbar sind, beweist Apple mit dem iPod touch.
Fazit: Das iPhone besticht mit seinem innovativen Bedienungskonzept, das selbst Technikmuffel begeistert. Das klare und hochauflösende Display macht das Apple-Handy außerdem zu einem klasse Multimedia-Player für unterwegs. Einen neuen Standard für das mobile Internet setzt Apple mit dem Safari-Browser und der mobilen Version der Google Maps. Als E-Mail-Client wird das iPhone vermutlich nicht in die Domäne des Blackberry einbrechen, da er gegenüber der Speziallösung nicht alle Funktionen bietet, die RIM entwickelt hat. Für Otto Normaluser war es aber noch nie so einfach, einen mobilen E-Mail-Account einzurichten. Die mangelnde Unterstützung von UMTS hat sich im Test als weniger folgenreich herausgestellt als vorab vermutet. Der Verzicht auf einen Wechselakku hat bei Apples iPods schon Tradition, nervt aber immer noch. Die Hauptkritikpunkte beziehen sich auf die Tarifgestaltung von T-Mobile. Die Abrechnung im Minutentakt und die Datenbremse für Vielsurfer im EDGE-Netz liefern nur den Wettbewerbern Argument und legen ein Zeugnis über den Kleinmut ab, der offenbar im Bonner Telekom-Turm noch immer herrscht.
Gespannt dürfen die iPhone-Besitzer auf die neue Software sein, die vom Februar 2008 an mit dem iPhone-SDK für das Kulthandy entwickelt werden kann. Zahlreiche Programmierer stehen schon standby, um das iPhone noch kultiger und noch werthaltiger zu machen. Text: Christoph Dernbach
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