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Hass, Horden, Halbneger

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#twittwoch mit NetzDG. Seit dem ersten Oktober 2017 gilt das etwas sperrige Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Also das NetzDG. Zum Jahreswechsel erfolgt der Realitätsabgleich im Internet bei Twitter und Facebook und mit den üblichen Reizthemen rund um Fremdenfeindlichkeit.

Sascha Lobo bezeichnet das NetzDG als juristisch schlampig, technisch uninformiert und wahlkämpferisch schnellgeschossen [ spiegel.de ].

Es gibt in Deutschland unter Merkel die politische Tradition des PR-Internetgesetzes.
[ Sascha Lobo ]

Immer vor Wahlen möchte die Politik Handlungsfähigkeit simmulieren und das Internet – diesen ansonsten vollkommen rechtsfreien Raum – regulieren:

  • 2009: Internetsperren mit Ursula von der Leyen
  • 2013: Leistungsschutzrecht mit BiLD und Oettinger
  • 2017: Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Hatespeech mit Heiko Maas

Gegen Hass im Netz hilft es nicht – im Gegenteil. Gleich am ersten Werktag in 2018 wird es von der Wirklichkeit geprüft.

(1) So wird die stellvertretende AfD-Bundestagsfraktionschefin Beatrix von Storch für dieses – inzwischen gelöschte – Entgegnung auf Neujahrswünsche der Kölner Polizei in arabischer Sprache bei Twitter gesperrt:

Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch. Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?
[ Beatrix von Storch (1.1) ]

Mit den gruppenvergewaltigenden Männerhorden sind die Ausschreitungen in der Silvesternacht vor zwei Jahren gemeint, als der Kölner Polizei zum Jahreswechsel auf 2016 die Lage auf der Domplatte entglitt.
Kommunikation ist auf jeden Fall versöhnlicher als der provokante Hass der AfD-Politikerin von Storch.

(2) Die nächste Provokation kommt von Jens Maier, einem Richter, der für Dresden und die AfD im Bundestag sitzt. Er beleidigt Noah Becker, den Sohn von Boris Becker, als Halbneger – inzwischen gelöscht:

Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären
[ Jens Maier (2.1) ]

Sprachlich ist Halbneger verwandt mit dem nationalsozialistischem Begriff des Halb-Juden; beide Bezeichnete zu verstehen als minderwertige Mischlinge in neuer und alter Nazi-Diktion.

Maier und von Storch beanspruchen die Meinungsfreiheit für sich und postulieren das Ende des Rechtsstaates [ 1/2 ]. Das eine ist eine Frage. Das andere eine Vermutung. Doch, das was gemeint sein soll, dürfte kaum geeignet sein, als Meinung geschützt werden zu müssen. Im Gegenteil.

In der Geltung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, mit dem Soziale Netzwerke offensichtlich strafbare Inhalte binnen Tagesfrist „löschen“ sollen, verlagert sich in der Tat die Rechtspflege in die Privatwirtschaft. Nicht ganz so eindeutige Themen sollen nach einer Woche aus dem Netz getilgt sein. Bei systematischen Verstößen drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro.

Auf der anderen Seite haben sich Twitter und Facebook das NetzDG selbst eingebrockt, weil sie mit ihrer ignoranten Haltung gegenüber Meldungen sich mehr um den Impact der eigenen Plattformen und das Engagement der Nutzer gesorgt haben.

Und so wird das NetzDG in der Wirklichkeit geprüft werden. Beim Bundesamt für Justiz gibt es ein klärendes FAQ mit häufig gestellten Fragen, etwa zu Löschfristen und Dokumentationspflichten: bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/NetzDG …, nicht barrierefrei.

Das letzte Wort in Sachen NetzDG ist sicherlich noch nicht gesprochen, aber auf internet-law.de findet sich ein vernüftiger Schlußsatz:

Das Gesetz kann insgesamt nicht als der große Wurf betrachtet werden, der es eventuell bei anderer Ausgestaltung hätte sein können. Die oft beschworene Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit besteht, jedenfalls gemessen am status quo, aber auch nicht.
[ Thomas Stadler ]

Nicht zuletzt sitzen Maier und von Storch im Deutschen Bundestag. Als Mitglied des Bundestages genießen gewählte Abgeordnete viele Freiheiten. Aber auch nicht alle. Pauschale Urteile über muslimische Männerhorden und Halbneger gehören nicht dazu.
Ihr disziplinarisch Vorgesetzter ist der Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der sicherlich die richtigen Worte finden wird, ob des Umgangstons und öffentlichen Gebarens der Angehörigen des Deutschen Bundestages.

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2 Antworten auf Hass, Horden, Halbneger

  1. Matthias 4. Januar 2018 bei 13:55 #

    Beifang: Das Twitter-Konto des Satire-Magazins Titanic ist in Deutschland gesperrt:

    This Tweet from @titanic has been withheld in Germany based on local law(s).

  2. Herr Leisegeiger 5. Januar 2018 bei 08:17 #

    Halbneger, kurz HN ist legitim. Sicher sprachgewandlich nicht das beste, aber ist Merkel etwa das beste?

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