3. Juli 1883 * – † 3. Juni 1924. Heute vor 100 Jahren starb der deutsche Schriftsteller Franz Kafka. Seine Texte begleiten mich mein Leben lang, denn in seinem 100. Geburtsjahr waren diese ein Thema in der Schule. Wenn etwas zu grotesk ist, dann sagt man, es sei kafkaesk – wie: wenn man morgens nicht aufstehen mag, weil man sich über Nacht in einen Käfer verwandelt hat, der auf dem Rücken liegt.
Dora Diamant hat auch ihre kafkaeske Geschichte mit dem kranken Juristen und Schriftsteller. Sie war die letzte Lebensgefährtin von Franz Kafka. 1933 musste sie Berlin verlassen. Dora, die als Kindermädchen beim Jüdischen Volkshaus gearbeitet hatte, floh nach London und dort erzählte sie diese Geschichte 1948 in englischer Sprache in ihrem Buch mit dem deutschen Titel „Als Kafka mir entgegenkam“:
Im Alter von 40 Jahren – das muss im Sommer 1923 gewesen sein – schlenderte Franz Kafka, der nie geheiratet und keine Kinder hatte, durch den Berliner Steglitz-Park, als er ein junges Mädchen traf, das sich die Augen ausweinte, weil es seine Lieblingspuppe verloren hatte. Sie und Kafka suchten erfolglos nach der Puppe. Kafka sagte ihr, sie solle ihn am nächsten Tag dort treffen und sie würden wieder suchen.
Am nächsten Tag, als sie die Puppe immer noch nicht gefunden hatten, gab Kafka dem Mädchen einen von der Puppe „geschriebenen“ Brief, in dem stand: „Bitte nicht weinen. Ich bin auf eine Reise gegangen, um die Welt zu sehen. Ich werde dir von meinen Abenteuern schreiben.“
So begann eine Geschichte, die bis zum Ende von Kafkas Leben weiterging.
Als sie sich trafen, las Kafka seine sorgfältig verfassten Briefe mit Abenteuern und Gesprächen über die geliebte Puppe vor, die das Mädchen bezaubernd fand. Schließlich las Kafka ihr einen Brief mit der Geschichte vor, die die Puppe nach Berlin zurückbrachte, und er schenkte ihr dann eine Puppe, die er gekauft hatte.
„Die sieht meiner Puppe überhaupt nicht ähnlich“, sagte sie. Kafka übergab ihr einen weiteren Brief, in dem er erklärte: „Meine Reisen, sie haben mich verändert.“ Das Mädchen umarmte die neue Puppe und nahm sie mit nach Hause. Ein Jahr später starb Kafka.
Viele Jahre später fand das nun erwachsene Mädchen einen Brief in einer unbemerkten Spalte der Puppe. In dem winzigen, von Kafka unterschriebenen Brief stand: „Alles, was du liebst, geht wahrscheinlich verloren, aber am Ende wird die Liebe auf eine andere Art zurückkehren.“