Trumpland. Trump ist am Ziel angekommen. Er ist Präsident der USA. An der Wortwahl zur Amtseinführung spürt man, dass ein Präsident Trump sich sein eigenes Weltbild malt, wie es ihm gefällt. Er fällt sogar in die Wortwahl seiner Wahlkampfveranstaltungen zurück und bleibt vage in der Analyse und kühn in den Folgerungen. Nun sieht es aus als sei eine fremde Macht in Amerika gelandet, die das große Land innerhalb von zehn Tagen von Demokratie auf Faschismus umschaltet.
Wie kann das passieren? Ich denke, wenn man das Amerika von Trump verstehen möchte, dann kann man den 45. Präsidenten der USA besser verstehen, wenn man seine Äußerungen aus dem Wahlkampf, seine Postings bei Twitter und auch die Rede bei seiner Vereidigung wörtlich nimmt und genau so versteht. Vortrefflich eignet sich sein Tweet vom 25. Januar:
Big day planned on NATIONAL SECURITY tomorrow. Among many other things, we will build the wall!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 25, 2017
Ja, Amerika baut die unüberwindbare Mauer zu Mexiko – koste es, was es wolle, denn letzten Endes wird Mexiko dafür bezahlen, so die kühle Rhetorik des Donald Trump. Denn es geht um die nationale Sicherheit, dabei sollte man sich auch um die angesprochenen many other things kümmern. Man darf sich nämlich von jemandem wie Trump nicht irritieren und ablenken lassen.
many other things
(20.1) Executive Order: Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden durch Health Savings Accounts – wahrscheinlich noch kommunistischer als man es dem Affordable Care Act je hätte vorwerfen können, wenn staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung von Behandlungen und Medikamenten vorgesehen sind.
(22.1) NAFTA soll neu verhandelt werden – zum Vorteil des amerikanischen Volkes
(23.1) Memorandum: Trans-Pacific Partnership (TPP) – eigentlich von Obama angedacht als wirtschaftliches Gegengewicht im pazifischen Raum zu China, aber noch nicht ratifiziert vom Kongress – soll nicht weiter verfolgt werden.
(24.1) Die Pipeline Keystone XL und die Dakota Access Pipeline sollen zügig weiter gebaut werden, und zwar mit Stahlrohren aus US-Produktion.
(25.1) npr.org: Die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency soll angewiesen worden sein, vor sämtlichen Veröffentlichungen um Freigabe zu ersuchen – Pressesprecher Sean Spicer verneint eine derartige Anweisung.
(25.1) Executive Order: Man möchte eine unüberwindbare Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, illegale Einwanderer ausweisen und nennt es Border Security and Immigration Enforcement Improvements
(26.1) Pause, weil Staatsbesuch aus UK von Theresa May: Brexit gonna be great for your Contry, verspricht Trump.
(27.1) Protecting the Nation From Foreign Terrorist Entry Into the United States: Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern dürfen nicht mehr in die USA einreisen, und zwar ohne Rücksicht auf gültige Visa, Greencards oder auch nur für den Transit, etwa bei Weiterflügen über die USA nach Kuba – auch bekannt als Muslim Ban.
(30.1) Executive Order: Bürokratieabbau durch weniger Regularien, konkret soll es neue Regeln nur geben, wenn für jede neue Regelung zwei bestehende Regelungen abgeschafft werden. Das klingt ganz toll wird aber in der Praxis eher zum regulatorischen Stillstand führen, weil definiert gehört, was eine Regelung, ein Vorschlag, eine bestehende Regelung sowie die Zahl „2“ ist.
Policy by Revenge
Was aussieht wie America first ist im Kern Trump first. Trump führt einen Rachefeldzug gegen Obama. Selbst der Muslim Ban bedient die Verschwörungstheorie nach der Obama ein Muslim sei und deswegen nicht im Terrorfeldzug gegen IS gewonnen hat. Wer also glauben möchte, Muslime seien insgesamt Extremisten und als Extremisten auch Terroristen, der wird das Einreiseverbot für eine gute Idee halten.
Das außenpolitische und wirtschaftspolitische Erbe von Obama sollte das TPP-Abkommen werden. Es ist nicht ratifiziert und kann von Trump einfach per Handstreich kassiert werden. Komplizierter ist es beim sozialpolitischen und innenpolitischen Erbe von Obama, der Krankenversicherung, die als Obamacare nach dem Präsidenten benannt ist, der sie eingeführt hatte. Hier gibt es mehr als 150 Millionen bestehender Verträge, die in irgendeiner Form nicht schlechter gestellt werden dürften. Vor Obamacare starben jährlich zwischen 30.000 bis 50.000 Amerikaner, weil ihr Versicherungsschutz nicht vorhanden oder nicht ausreichend für eine weitere Behandlung war.
Das Andenken an Obama soll komplett getilgt werden. Das beginnt in der Rede nach der Vereidigung. Der Freitag (20.1) ist ein Triumpf für Trump. Gefeiert wird die friedliche Machtübergabe an Donald Trump, der – so meine These – keinen Frieden machen kann mit seinen politischen Gegnern. Trump wird keinen Frieden finden – nicht im Inneren und nicht im Äußeren. Während Trump für den Amtseid seine Hand eben nicht auf die historische Lincoln-Bibel legt sondern auf die Bibel seiner Mutter, ist nicht einmal die Vereidigung ein aufrichtiger Akt sondern die Auftaktveranstaltung für eine Familien-Feier, die sich Autokratie nennt und in Kleptokratie münden wird.
Während Trump seine erste Rede als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hält, zieht sein Stab den Vorhang auf im Oval Office. Die neue Vorhangfarbe wechselt von rot auf gold. Die Büste von Martin Luther King wird von Trump durch ein Standbild für Winston Churchill ersetzt.
Während Trump in seiner erste Rede alle Amerikaner ansprechen möchte, weil er schlicht der Präsident von allen Amerikanern ist, schaltet sein Transition Team die neue Website für whitehouse.gov auf. Informationen zu Bürgerrechten, Klimawandel und Krankenversicherung ( Affordable Care Act ) sind einfach gelöscht, während der Präsident Partei ergreift für vom Establishment vernachlässigte Bürger. Einen Spaltkeil treibt seine Ansprache zwischen eine angeblich in Washington angesiedelte politische Oberschicht und dem Volk:
Washington flourished – but the people did not share in its wealth. [ 1 ]
Trump zeichnet ein Bild von innerstädtischer Armut, verfallenen Fabriken, unzureichender Schulbildung, Verbrechen, Drogen und unerkannten Möglichkeiten. Obwohl es keinen Beleg für besondere innerstädtischer Armut gibt. Vielmehr ist es so, dass die Armut auf dem Land mit 13,5 Prozent etwas höher ist als im städtischen Umfeld mit 13 Prozent [ wapo ].
Bereits während der Rede wiedersprechen die Handlungen seines Apparates seinen Worten. Wie will er sich ohne Krankenversicherung um die Bedürftigen kümmern? Strong, wealthy, proud and safe? Ein Patriot zu sein wird nicht ausreichen:
And, Yes, Together, We Will Make America Great Again. Thank you, God Bless You, And God Bless America. [ 1 ]
Trump first
Vieles in der Trump-Rede fühlt sich so verkehrt an und verlangt Widerspruch. Zwei Beispiele:
– Trump weist darauf hin, dass die Vereidigung alle vier Jahre stattfindet und eine Machtübergabe sei. Als ob Obama selbst vor vier Jahren die Macht von jemand anderem übernommen hätte.
– Trump bedankt sich bei President Obama and First Lady Michelle Obama für die Hilfe während des Machtübergangs ( transition ). Als ob Obama die acht Jahre zuvor kein Präsident gewesen wäre.
Sicherlich, es sind Kleinigkeiten, die wirken wie kleine Nachlässigkeiten. Aber sie entfalten ihre Bosartigkeit. Damit sollen sich kritische Menschen beschäftigen. Diese Rhetorik bindet die Kräfte, die für den Widerstand gegen die Politik von Trump gebraucht wird.
Popular Vote
Ein weiteres Beispiel ist die Schlacht um die Deutungshoheit für den Erfolg der Vereidigung. Dabei ist es müßig, sich darüber zu streiten, ob die Trump-Vereidigung im Vergleich zu Obama eine schlecht besuchte Veranstaltung war oder ob als alternative fact das bisher größte Publikum das Event als Livestream über Twitter verfolgt haben könnte. In Washington DC waren jedenfalls weniger Menschen mit der U-Bahn unterwegs am Tag der Vereidigung (570.000) als an einem gewöhnlichen Werktag (639.000). Die Leute fahren also lieber zu Arbeit als zu einer Ansprache von Trump [ talkingpointsmemo.com, wapo ].
Wenn jemand wie Trump, der beim Volk beliebt sein möchte, augenscheinlich nicht so beliebt ist, dann hat der Mann als Populist ein Problem. Schon zum Amtsantritt steht die Stimmung für Trump auf der Kippe. 45 Prozent Zustimmung und 45 Prozent Ablehnung. Den anderen ist er egal. Das ist schlechter als bei Reagan (1981) und bei Bush Senior (1989) [ gallup.com ].
Women’s March
Am Tag nach der Vereidigung versammelten sich an selber Stelle rund drei Mal mehr Demonstantinnen – überwiegend Frauen – zum sogenannten Women’s March in Washington [ nyti.ms/2keGn5N ]. In den USA gingen etwa 4,2 Millionen Menschen auf die Straßen, und zwar nicht nur an den Küsten sondern überall im Land. Mit Kundgebungen in Paris, London und Berlin sowie auf allen Kontinenten einschließlich der Antarktis darf man von einer neuen Bewegung sprechen.
Der Maulkorb für die Park Ranger, die Leugnung von Klimawandel und ein Neustart für die Pipelines durch Indianer-Land bringen die Rücksichtslosigkeit auf den Punkt, mit denen der Ölhahn wieder aufgedreht werden soll. Der Rubel rollt in Richtung Ausbeutung und nicht in die Nachhaltigkeit. Wissenschaftler und Unis kündigen bereits den Science March an [ scientificamerican.co ].
Eine Woche nach der Vereidigung findet im Washington der March for Life statt (27.1). Vice President Pence lässt sich blicken. Es geht um den Schutz des ungeborenen Lebens und damit immer auch ein bisschen gegen die (sexuelle) Selbstbestimmung von Frauen, was ja schon beim Women’s March massiv zum Ausdruck gebracht wurde.
In today's episode of Massive Hypocrisy: #MarchForLife #MuslimBan pic.twitter.com/w3Bb2C06MM
— Lisa Brenner (@LisaBrenner2) January 28, 2017
Immigration Records
Das Einreiseverbot von Präsident Trump stößt auf Widerstand. Mal ist er verhalten formuliert wie von Facebook-CEO Zuckerberg oder Apple-CEO Tim Cook, der Martin Luther King Jr. zitiert. Zu offen kritisierte Justizministerin und oberste Generalbundesanwältin Sally Yates den Trump-Erlass, Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern nicht mehr in die USA einreisen zu lassen. Yates wurde jetzt von Trump abberufen. Sein Vorwurf lautet auf Verrat:
The acting Attorney General, Sally Yates, has betrayed the Department of Justice by refusing to enforce a legal order designed to protect the citizens of the United States. This order was approved as to form and legality by the Department of Justice Office of Legal Counsel.
[ Donald J. Trump ]
Trump hatte am Freitag (27.1) verfügt, dass Bürger aus den Staaten Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien 90 Tage lang keine Visa erhalten. Auch EU-Bürger können betroffen sein, wenn sie zusätzlich die Staatsbürgerschaft eines dieser Länder besitzen. Allen Flüchtlingen ist die Einreise in die USA für 120 Tage untersagt, syrischen Flüchtlingen sogar auf unbestimmte Zeit.
Allerdings gibt es Ausnahmen: Bürger der Five-Eyes mit doppelten Staatsbürgerschaften dürfen in die USA reisen. Dies sind Australien, Kanada, Neu Seeland, UK und eben die USA selbst. Ausnahmen gibt es auch für Menschen, die bei oder für die US-Streitkräfte sowie die Vereinten Nationen arbeiten und die in Regierungsangelegenheiten reisen. Deutsche Politiker dürften also nichts zu befürchten haben, wohl aber alle anderen. Darunter Mitarbeiter von Microsoft und Google, die deutlicher als Apple Position beziehen. Auch dabei Asghar Farhadi, dessen Film The Salesman für die Oscars nominiert ist. Das Thema wird also eine große Bühne bekommen.
Innerhalb von zehn Tagen schaltet Trump die älteste moderne Demokratie um auf Faschismus. Kritikern droht er mit Landesverrat. Der Ton wird deutlich schärfer. Und der Ton wird sich noch weiter verschärfen, wenn im Zuge von America first die Firmen beweisen müssen, dass sie keinen geeigneten amerikanischen Bewerber gefunden haben. Dann werden Arbeitsvisa und Green Card widerrufen.
Weitere Maßnahmen sind ebenfalls angekündigt. UN-Beiträge in den Klimaschutz sollen eingestellt werden. Warum eigentlich nicht gleich komplett aus den UN austreten: congress.gov/bill ? Persönlich ist Trump an der Dakota-Pipeline beteiligt, die er jetzt weiter bauen läßt [ cbsnews.com ]. Und nicht zuletzt wird Trump die Unternehmensteuern von 35 Prozent auf 15 Prozent senken und mit seiner Hotel-Kette direkt davon profitieren. Was für eine Show, die Trump-Show! Es fehlt nur noch ein Denkmal, ihm zu ehren … Moment mal. Das gibt es auch schon: Der Tag seiner Vereidigung soll als patriotischer Feiertag – als National Day of Patriotic Devotion – begangen werden.