NOTW: Sechs Tage im Mai. Von Dienstag (5.5) bis Samstag streikt die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) in Deutschland. Sie tritt in den Arbeitskampf gegen die Bahn für mehr Geld, weniger Arbeitszeit und um Gehör für ihre Anliegen. Gerade letzteres möchte der Bund als alleiniger Eigentümer der Bahn ab Sommer 2015 mit einem Gesetz einschränken. Als Gesetz zur Tarifeinheit und zum Streikrecht will die Arbeitsministerin Nahles (SPD) die Macht der kleinen Spartengewerkschaften beschränken. Diese Arbeitnehmervertretungen gäbe es nicht, wenn Bereiche wie Flugsicherung und Bahnverkehr nicht privatisiert worden wären. Als Sozialdemokratin und Ex-Gewerkschaftsfunktionärin fühlt sich Andrea Nahles berufen, Arbeitgeberinteressen zu vertreten. Es geht um mehr als nur um mehr Geld. Es geht um den Kampf gegen den Arbeitskampf. Daher ist dieser Streik der wichtigste der Berliner Republik. Derweil dreht sich die Erde weiter. Politiker treten nach dem kleineren Tarifpartner – statt ihn zu schützen – und die Vorstände der Bahn verdoppeln ihre Erfolgsprämien, obwohl der Geschäftsverlauf hinter den eigenen Zielen zurückbleib:
Sie kassierten nach Informationen des Handelsblatts (Donnerstagausgabe) 7,28 Millionen Euro an Erfolgsprämien, mehr als doppelt so viel wie die 3,42 Millionen Euro im Vorjahr. Besonders stark stiegen dabei die kurzfristigen Boni – von 1,9 auf 5,2 Millionen Euro. Das bedeutet einen Zuwachs von 174 Prozent.
[ handelsblatt.com ]
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) fordert eine Schlichtung und kritisiert die GDL. Wer eine Woche streiken könne, solle auch eine Woche verhandeln, sagt er bei merkur.de.
Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen. Der angekündigte Streik wird Pendler und Reisende, aber auch die Deutsche Bahn und die gesamte deutsche Wirtschaft insgesamt schwer treffen. Alle Beteiligten müssen sich fragen, ob der Schaden, den dieser Ausstand anrichten könnte, noch in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Auseinandersetzung steht. Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen.
[ Sigmar Gabriel am 3. Mai 2015 ]
Empfohlen ist der – immer noch aktuelle – Hintergrundartikel Der Bahnkunde als Feind von Winfried Wolf bei Kontext: Wochenzeitung mit interessanten Bahndaten und spannenden Aussagen zu verfehlten Bahnreformen. Was passiert wäre, wenn Hartmut Mehdorn die Bahn AG tatsächlich an die Börse gebracht hätte: unvorstellbar.