Sicherheitsrisiko BKA beim G20. Der deutsche Sicherheitsapparat kann mit den Daten, die in alltäglicher Polizeiarbeit anfallen und die von Gerichten an Behörden und Ämter übergeben werden, nicht umgehen. Das führt zu Problemen in der Strafverfolgung und zeigt etwa bei den entzogenen Akkreditierungen beim G20-Gipfel in Hamburg, wie abgründig und willkürlich staatliches Handeln werden kann, wenn es auf rechtswidrigen, schlecht kontrollierbaren und schlampig geführten Dateien beruhe [ tagesschau.de ].
Es geht um drei unterschiedliche Probleme: Wann muss eine Eintragung, selbst wenn sie anfänglich rechtmäßig war, aus allen Dateien entfernt werden, in die sie inzwischen gelangt ist? Zweitens: Reicht eine Eintragung als solche, um bei dem Betroffenen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen zu können? Drittens: Die Polizei muss bei der Entscheidung über einen Eingriff gegen einen Journalisten berücksichtigen, dass Journalisten bei ihrer Arbeit der besondere Schutz der Medienfreiheit zusteht. Auf allen drei Ebenen scheinen Fehler begangen worden zu sein. Hier muss dringend für rechtsstaatliche Klarheit gesorgt werden.
[ Wolfgang Hoffmann-Riem, früherer Bundesverfassungsrichter ]
Ich habe schon zuvor geschrieben, der Gipfel wird sich an seinen Ergebnissen messen lassen müssen. Im Nachgang zum G20-Gipfel offenbart sich nun aber am Skandal um den Entzug von Akkreditierungen für Journalisten beim G20-Gipfel ein systematisch nachlässiger Umgang mit Daten beim BKA. Zahlreiche weitere BKA-Auskünfte, die beim ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, belegen fehlerhafte und rechtswidrige Einträge.
Beispiele:
- Fotograf Kietzmann wurde einmal festgenommen – alle Vorwürfe wurden fallengelassen. Doch das BKA hat sie dennoch weiter gespeichert.
- Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums sind allein in der Datei „Innere Sicherheit“ aktuell 109.625 Personen und 1.153.351 Datensätzen zu Delikten gespeichert. Das ist das 27-fache der 41.549 politisch motivierten Straftaten, die laut Kriminalstatistik im Jahre 2016 insgesamt begangen wurden.
- In der „Fallgruppe Rauschgift“, in der inzwischen mehr als 473.000 Personen mit Millionen von Datensätzen gespeichert sind, liegt bei mehr als der Hälfte der Betroffenen die Einträge mehr als zehn Jahre zurück.
Die Datensammelwut scheint grenzenlos. Vor lauter Heu sehen die Behörden gar nichts mehr. Anis Amri haben sie gekannt, aber nicht gesehen. Reichsbürger, die Polizisten erschießen, kennen sie als Waffennarren, aber werden nicht als Gefahr gesehen. Sobald die Behörden allerdings selbst eingebunden sind in die Täterszene, dann werden die Akten vernichtet – wie beim NSU.
Dabei kann das gegen Google erstrittene Recht auf Vergessen die Lösung sein. Denn man muss die Polizei in die Schranken weisen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Vorhaben wie die Vorratsdatenspeicherung würden nur noch mehr unschuldige Bürger in die Raster der Fahnder laufen lassen.