Dieselgate in neuer Dimension. Bei Volkswagen liegen die Nerven blank. Die Leiharbeiter werden an die Luft gesetzt. Die Stammbelegschaft fürchtet um ihre Karrieren. Der Betriebsrat redet von Krise. Der in den Aufsichtsrat gewechselte Hans Dieter Pötsch spricht von einer existenzbedrohenden Krise und streicht eine Entschädigung dafür ein, dass sein Vorstandsvertrag noch bis 2017 gelaufen wäre. Es soll sich dabei um knapp zehn Millionen Euro handeln, schreibt spiegel.de.
Trotz des Abgasskandals und drohender Milliardenstrafen wollen die VW-Vorstände offenbar nämlich nicht auf ihre Bonus-Zahlungen verzichten. Zugleich eskaliert der Streit zwischen Management und Betriebsrat über den Sparkurs bei Europas größtem Autobauer. Arbeitsrechtlich gelten die Chefs im Vorstand als Angestellte. Juristisch steht ihnen die Erfüllung vertraglicher Vereinbarungen zu. Ob es jedoch moralisch in Ordnung ist, trotz des eigenen Versagens in der Vergangenheit, auf die Boni zu bestehen, müssen die hohen Herren sich selbst beantworten. Das Management hat die Bodenhaftung verloren. Entkoppelt von der Wirklichkeit wäre es auch spannend zu erfahren, wie das Land Niedersachsen mit seinem Ministerpräsidenten Stephan Weil ( SPD ) als Anteilseigner mit Vetorecht diese Sache sieht.
Dank Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ( CSU ) halten sich die Folgen des Diesel-Abgasskandals noch in Grenzen. Die Abgasreinigung in Autos wird oft abgeschaltet. Die Hersteller rechtfertigen das mit angeblichen Ausnahmen im Gesetz. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages widerspricht nun – und belastet damit auch das Verkehrsministerium, denn der europäische Rechtsrahmen sehe nur wenige Ausnahmen vor, in denen Fahrzeuge sogenannte Abschalteinrichtungen benutzen dürfen, heißt es in dem noch unveröffentlichten Dokument, das spiegel.de vorliegt.
Bei den meisten Dieselmotoren von Volkswagen läuft die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand mit einem guten Wirkungsgrad. Seit einem halben Jahr ist die VW-Affäre um manipulierte Abgaswerte bekannt. Eigene Tests der Deutschen Umwelthilfe zeigen, dass auch Fahrzeuge anderer Hersteller die Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen nicht einhalten. Mittlerweile räumen neben VW auch weitere Autobauer ein, Abschalteinrichtungen zu verwenden. Doch anstatt Licht ins Dunkel zu bringen und sich um Aufklärung zu bemühen, hüllt sich die Politik in Schweigen.
In Deutschland liegt die Stickoxid-Belastung der Atemluft nach wie vor in zahlreichen Städten über den definierten Grenzwerten. Moderne Euro 5 und Euro 6-Dieselfahrzeuge halten trotz gegenteiliger Aussage in den Werbeprospekten diese Werte bei Weitem nicht ein. Bereits im November hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eigene Straßenmessungen an 56 Diesel-Fahrzeugen durchgeführt. Doch noch immer verweigert Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt dem Parlament und der Öffentlichkeit eine Auskunft über die vorliegenden Messergebnisse.
Mittlerweile räumen verschiedene Fahrzeughersteller ein, Abschalteinrichtungen einzusetzen. Diese seien notwendig um den „Motor vor Beschädigung“ zu schützen. Aus Sicht der DUH ist das eine reine Schutzbehauptung. Schließlich muss die Abgasreinigung nach der geltenden EU-Typengenehmigungsvorschrift „in normal use“ funktionieren.
Auch 2016 wird der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid (NO2) in Deutschland vielerorts überschritten. Schadstoffquelle Nummer eins ist der motorisierte Straßenverkehr. Da die Bundesregierung auch nach dem Abgasskandal in Sachen Luftreinhaltung weiter auf der Bremse steht, fordern Umweltverbände nun die Umweltminister der Länder auf, sich für ambitionierte Maßnahmen im Verkehrssektor einzusetzen. Die Weiterentwicklung der Umweltzonenregelung durch eine Blaue Plakette ist dringend erforderlich.
Eine blaue Plakette soll künftig Autos mit geringem Schadstoff-Ausstoß kennzeichnen. In Stadtbezirken mit besonders schlechter Luft sollen nach dem Willen der Umweltminister von Bund und Ländern schon bald nur noch Autos mit einer solchen blauen Plakette fahren dürfen. Sie beschlossen die Einführung einer sogenannten NOX-Plakette – als Folge des Diesel-Abgasskandals. Kommunen könnten so Gebiete ausweisen, die unter erhöhter Stickoxid-Belastung durch Dieselfahrzeuge leiden.
Und obwohl der Diesel als Schadstoff-Quelle Nummer 1 ausgemacht ist, bleiben seine Steuervorteile. Die Umweltminister der Länder konnten sich nicht darauf verständigen, den Kraftstoff teurer zu machen, wie einige von ihnen gefordert hatten. Die Umweltministerkonferenz kann nämlich Beschlüsse nur einstimmig treffen. Eine Beschlussvorlage von fünf Ländern, Diesel über die Abschaffung der Steuervorteile teurer zu machen, scheiterte unter anderem am Widerstand von Bayern, der Heimat von BMW und Audi.
Bundesverkehrsminister Dobrindt hat ja auch noch andere Baustellen. Marode Straßen und Brücken sowie einen neuen Idiotentest für Verkehrsteilnehmer, die ihren Führerschein verloren haben, und sein Lieblingsprojekt: die PKW-Maut für Ausländer. Derweil streiten sich bei der Daimler-Hauptversammlung zwei Aktionäre um Wiener Würstchen am Buffet. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff musste die Polizei holen. Die kommt vielleicht auch in Wolfsburg, wenn es am kommenden Montag im Aufsichtsrat um die Wurst geht.
[ Mit Material von tagesschau.de, n-tv und Deutsche Umwelthilfe, sowie sz.de ]