Kampf der Giganten Der Wettbewerb zwischen Microsoft und AOL weitet sich auf immer weitere Bereiche aus. Im jüngsten Konflikt der Giganten des Informationszeitalters geht es nicht nur um mögliche Milliarden-Zahlungen von Microsoft an AOL, weil Bill Gates und seine Truppe das AOL-Tochterunternehmen Netscape Ende der neunziger Jahre mit wettbewerbswidrigen Mitteln niedergerungen haben.
Bei diesem Fall geht es um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit, sagt Branchenexperte Neil MacDonald vom Beratungsunternehmen Gartner Group. AOL will Microsoft davon abhalten, die Zukunft des Internets zu dominieren.
In der High-Tech-Version von Godzilla gegen King Kong (Los Angeles Times) steht der neue Markt der Dienstleistungen und Kommunikationsangebote im Brennpunkt. Hier werden noch ordentliche Gewinne erwirtschaftet – im Gegensatz zum extrem schwierigen Hardware-Geschäft. Microsoft versucht auf der Basis des De-facto-Monopols bei den Computer-Betriebssystemen seine Marktstellung im Online- und Servicemarkt auszubauen. AOL, mit über 33 Millionen Abonnenten größter Onlinedienst der Welt, versucht, dieses Territorium zu verteidigen. Nach vielen vergeblichen Anläufen hat Microsoft sich im US-amerikanischen Onlinemarkt mit knapp acht Millionen zahlenden Kunden immerhin auf Platz zwei hochgearbeitet.
Aktuelle Anlässe zum Streit haben AOL und Microsoft genug: Das von Bill Gates gegründete Unternehmen nutzt nach Ansicht von AOL seine neueste Version des Betriebssystems Windows XP wettbewerbswidrig dazu, Werbung für eigene Dienstleistungen zu machen. Die XP-Anwender werden zum Beispiel immer wieder auf den Microsoft-Service Passport hingewiesen, der als eine Art digitaler Ausweis entscheidenden Einfluss auf den Strom des Geldes beim elektronischen Handel haben wird. Passport konkurriert mit dem Konzept der Liberty Alliance, die vom Microsoft-Konkurrenten Sun Microsystems geführt wird und an der auch AOL massiv beteiligt ist.
Gestritten wird auch um den Markt mit den Programmen für Online-Telegramme und Plauderrunden im Netz (Chat). Microsoft wirbt in Windows XP kräftig für den Windows Messenger, der direkt mit dem AOL Instant Messanger (AIM) konkurriert. In diesem Marktsegment muss sich aber auch AOL Vorhaltungen machen lassen. Andere Onlinedienste, darunter natürlich auch der Microsoft-Service MSN, hatten stets dagegen protestiert, dass AOL die Schnittstelle des Chat-Programms AIM gegen andere Systeme abschottet. So kann man von einem Windows Messanger nicht mit einem AIM-Anwender übers Netz plaudern.
Beide Seiten wollen die Seele des Internet-Verbrauchers besitzen, sagte Bill Whyman, Präsident der Beratungsfirma Precursor Group in der Los Angeles Times. Deshalb versuchen sie, die wichtigsten Programme für den Anwender wie E-Mail und Chat zu kontrollieren.
Bei AOL wird intern immer wieder diskutiert, ob man Microsoft nicht in der eigenen Hälfte angreifen kann und beispielsweise massiv in das Geschäft mit dem alternativen Betriebssystem Linux einsteigen sollte. So entstand in der vergangenen Woche das Gerücht, AOL Time Warner wolle die Red Hat Inc., das größte Linux-Vertriebsunternehmen der USA, aufkaufen. AOL-Sprecher Andrew Weinstein beendete jedoch mit einem Dementi diese Debatte.
So konzentriert sich die Aufmerksamkeit wieder auf die aktuelle Schadensersatzforderung von AOL, die sich auf die Erkenntnisse aus dem Anti-Kartell-Prozess des US-Justizministeriums stützt. Der AOL-Vorstoß ist nicht die erste Schadensersatzklage, mit der sich Microsoft herumschlagen muss. Zuvor gelang es beispielsweise der kleinen Softwareschmiede Caldera aus dem US-Bundesstaat Utah, in einem Vergleich 250 Millionen Dollar von Microsoft zu erkämpfen. Für AOL wäre eine solche Summe nur Peanuts: AOL-Chef Steve Case möchte einen erheblichen Teil der Barreserven von Microsoft. Das sind zur Zeit rund 35 Milliarden Dollar – und jeden Monat kommt schätzungsweise eine Milliarde Dollar hinzu.
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