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123,2 Gramm pro Kilometer

BMW M3 in grün

Märchen vom Klimafortschritt. Der CO2-Ausstoß bei Neuzulassungen steigt wieder. Dabei soll er eigentlich sinken, und zwar auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer bis 2020. Im laufenden Jahr steigen die CO2-Emissionen neu zugelassener PKW auf durchschnittlich 123,2 Gramm pro Kilometer. Im Jahresschnitt 2022 waren es dagegen nur 109,6 Gramm; also vermeintlich 15 Gramm mehr als erlaubt.

Die deutschen Hersteller fahren über dem Durchschnittswert von 123 Gramm und weit entfernt von 95 Gramm. VW 129,8 Gramm; BMW 133,7 Gramm; Audi 135,5 Gramm; Mercedes 136,4 Gramm; Porsche 208,2 Gramm.

Der vorgeschriebene Grenzwert liegt seit 2020 de facto nicht bei 95 Gramm CO2/km, sondern bei 108 Gramm CO2/km, da ein Großteil der geforderten CO2-Reduktion nur auf dem Papier über regulatorische Flexibilitäten wie Super Credits für PHEV und den Gewichts-Bonus für schwere SUV erreicht werden kann. Denn derart verwässerte die deutsche Auto-Lobby die Klimaziele der EU – trotz vorheriger und anderslautender Bekundungen:

Ich garantiere, dass wir alles daran setzen werden, 95 Gramm CO2-Emissionen ohne Wenn und Aber zu erreichen.
[ Martin Winterkorn, Vorstand VW am 4. März 2013 ]

Die Grenzwerte gelten nur in 95 Prozent der Flotte, denn die Neuwagen mit den höchsten Emissionen werden nicht berücksichtigt. Gleichzeitig erfolgt für die Jahre ab 2021 eine Umstellung der Vorgabe auf das neue, realitätsnähere WLTP-Testverfahren. Aus Nachsicht auf die Autobauer dürften die Werte etwa um 20 Prozent ansteigen. Der NEFZ-Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2/km würde demnach einem WLTP-Flottengrenzwert von ungefähr 115 Gramm CO2/km entsprechen. Der endgültige Wert berechnet sich auf der Basis des Verhältnisses von altem zu neuem Prüfzyklus der Neuwagen aus 2020.

2019 wurde im Rahmen der letzten Revision der CO2-Standards festgelegt, dass Hersteller ihre Flottenemissionen um weitere 15 Prozent bis 2025 und 37,5 Prozent bis 2030 senken müssen, verglichen mit dem Basisjahr 2021.

In der Realität liegt der Kraftstoffverbrauch (und somit die CO2-Emissionen) neuer Autos etwa 40 Prozent über den nach dem alten Testverfahren NEFZ ermittelten Werten. Da die neuen WLTP-Werte im Durchschnitt nur etwa 20 Prozent höher ausfallen als die alten NEFZ-Werte, ist weiterhin mit einer Lücke zum Realverbrauch zu rechnen. Mit der 2020 sprunghaft gestiegenen Anzahl von Plug-in-Hybriden (PHEV) unter den Neuwagen erreicht die Abweichung nun eine neue Dimension. Der tatsächliche Verbrauch dieser Autos mit doppeltem Antrieb liegt im Durchschnitt sogar 100 bis 300 Prozent über dem Katalogwert.

Die realen Werte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren betragen 2022 bei den Benzinern durchschnittlich 150,5 Gramm pro Kilometer und bei Diesel sogar 168 Gramm CO2 pro Kilometer – auf Kosten der Umwelt und zu Lasten eines erreichbaren Klimaschutzes.

Oder wie es leicht resignierend aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit heißt:

Insgesamt ist das Regelwerk seit der erstmaligen Verabschiedung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw im Jahr 2009 deutlich komplexer geworden. Die gestiegene Komplexität ist u.a. Ergebnis zahlreicher Verbesserungen, die ein realitätsnäheres und effektiveres Regelwerk schaffen. Gleichzeitig steigt mit zunehmender Komplexität jedoch das Risiko von Fehlern, Schlupflöchern und rechtlichen Unsicherheiten. Komplexe Regelungen sind zudem schwerer nachzuvollziehen und es ist schwerer zu überprüfen, ob Akteure gesetzeskonform handeln. Dies gilt teilweise für die Verordnung 2019/631 selbst, aber insbesondere auch für das WLTP-Prüfverfahren sowie für die sog. Korrelationsgesetzgebung. Diese Regelungen bestimmen die künftige Effektivität der CO2-Flottengrenzwerte entscheidend mit.

Faktisch jedoch gilt schon heute, dass die Anschaffung eines Hybrid-Klima-SUV (PHEV) auch aus Sicht der Industrie nicht nachhaltig ist. Praktisch können ab 2025 keine Fahrzeuge mehr verkauft werden, in denen Flüssigkeiten verbrannt werden, weil nicht nur auf CO2 sondern auch auf NOx geschaut wird.

Dennoch richtet der gezielte Lobbyismus der Jahre von 2013 bis 2019 einen nachwirkenden Schaden an, denn politisch wurde es Konsenz, dass der Flottengrenzwert praktisch nicht sinkt, wenn ab 2025 nicht 81 Gramm (85 Prozent von 95) sondern dank PHEV, SUV und WLTP tatsächlich 98 Gramm (85 Prozent von 115) zu erreichen sind. Auf diese Weise kann der Verkehr keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten.


Erstellt mit Material von tagesschau.de, Greenpeace (PDF) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (PDF) in Zusammenarbeit mit dem KBA sowie duh.de (PDF).

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